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Stuttgarter Sportgespräch: Der saubere Sport ist noch zu retten!

Impulsreferat: Dr. Matthias Breucker
Gut besucht: Stuttgarter Sportgespräch 2017

Zum 13. Mal fand im Januar 2017 das Stuttgarter Sportgespräch statt. Nach den Doping-Enthüllungen des Olympiajahres 2016 griffen die Veranstalter folgerichtig dieses brisante Thema auf und kleideten es in die Frage: „Ist der saubere Sport noch zu retten?“

Vier Vorstandsmitglieder der DOG-Zweigstelle Darmstadt hatten die Reise nach Stuttgert auf sich genommen; Grund dafür war nicht nur das Thema der Podiumsdiskussion, sondern auch das qualitativ hochwertig besetzte Podium, das auf den einen oder anderen bisher unbekannten Aspekt aus der Sicht eines Insiders hoffen ließ:

Robert Bartko: Bahnradfahren, Olympiasieger 2000 im Einzel und mit der Mannschaft; heute Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft.

Dr. Lars Mortsiefer: seit 2011 Chefjustitiar der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (NADA); Promotionsthema „Datenschutz im Anti-Doping-Kampf“

Hajo Seppelt: ARD, Autor, Reporter und Kommentator, seit 2006 in der Hauptsache für die Berichterstattung über Doping im Spitzensport verantwortlich.

Thomas Weikert: Rechtsanwalt; seit 2014 amtierender Präsident des Internationalen Tischtennisbundes (ITTF)

In seinem Impulsreferat erinnerte Dr. Matthias Breucker, Mitinhaber der Rechtsanwaltskanzlei Wüterich Breucker und somit auch Mitveranstalter des Stuttgarter Sportgesprächs, an die Enthüllungen des Jahres 2016 rund um den russischen Sport und die nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und einzelner Sportverbände. Gleichzeitig zeichnete er damit einen Rahmen für die sich anschließende Podiumsdiskussion.

In ihren Eingangsstatements ließen die Podiumsteilnehmer die Vielschichtigkeit des Themas erkennen.

Hajo Seppelt: “Ich bin kein Sportfan. Als Journalist bin ich Beobachter und wahre eine kritischen Blick aus der Distanz. In den großen Sportorganisationen herrschen für mich feudale Verhältnisse wie im Mittelalter; Milliardenunternehmen wie IOC oder FIFA müssen anders geführt werden.“

Dr. Lars Mortsiefer: „Die Aufgabe der Nationalen-Anti-Doping-Agentur ist nicht primär Doping-Sünder zu überführen, sondern den sauberen Sport zu schützen.“

Robert Bartko: „Zunächst einmal gilt die Unschuldsvermutung, das entspricht dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Wir müssen die Sportler sensibilisieren, sie auf den Kampf gegen das Doping einschwören und somit auch deren Persönlichkeit stärken.“

Thomas Weikert: „Nachdem das IOC vor Olympia die Entscheidung über die Sperre russischer Athleten nicht selbst treffen wollte, mussten wir in den Verbänden Gott spielen. Wir haben uns bei der ITTF nach individueller Prüfung jeweils für die Zulassung der russischen Athleten entschieden. Es wohnen aber schon zwei Seelen in meiner Brust, wenn ich zum Beispiel den russischen Ski-Langläufer Ustjugow sehe, der in den letzten Wochen fast jedes Rennen überlegen gewinnen konnte.“

Das Podium: Weikert, Seppelt, Dr. Mortsiefer, Bartko, Moderator Zimmermann (von links)
Zwischenfrage: Moderator Zimmermann, Nadine Hildebrand (Hürdensprinterin und Rechtsanwältin)

Mehrheitlich wurde die IOC-Entscheidung, nicht die gesamte russische Mannschaft von den Olympischen Spielen 2016 in Rio auszuschließen, als falsch bewertet. Das hunderte von Dopingproben unter Mitwirkung oder Billigung des russischen Sportministeriums manipuliert wurden, wurde als Worst-Case-Szenario bezeichnet, das eine Sperre aller russischen Sportler gerechtfertigt hätte. Die Glaubwürdigkeit des Funktionärswesen in der Öffentlichkeit liege bei nur 20 Prozent, so NADA-Vertreter Dr. Lars Mortsiefer. Es liegt auf der Hand, dass sich diese Zahl durch das Verhalten des IOC weiter verringert. Hajo Seppelt warf dem IOC vor, 30 Jahre lang nicht aktiv gegen Doping vorgegangen zu sein und sogar Doping-Fälle vertuscht zu haben. Außerdem habe das IOC nur einen kleinen Teil der Proben von den Olympischen Spielen 2008 in Peking vor Ablauf der festgeschriebenen Acht-Jahres-Frist einer erneuten Überprüfung unterzogen. Durch verbesserte Analysemethoden waren bei den durchgeführten Nachprüfungen etliche Sportler und Sportlerinnen nachträglich des Dopings überführt worden, was in einigen Fällen auch zur Aberkennung der Olympia-Medaillen führte. An einer nachträglichen Überprüfung aller in Peking genommenen Proben hatte das IOC, so Hajo Seppelt, offensichtlich kein Interesse, da man damit rechnen musste, weitere Doping-Sünder zu entlarven.

Marcel Nguyen

Allgemein wurden die Maßnahmen der Nationalen-Anti-Doping-Agentur in Deutschland als sinnvoll und zielführend angesehen. Diese Meinung vertrat auch der anwesende Turner Marcel Nguyen, der im Verlauf der Veranstaltung von Moderator Jens Zimmermann befragt wurde. „Ich finde es gut, wie es bei uns läuft. Aber Sportler aus anderen Nationen lachen uns aus. Irgendwie fehlt die Chancengleichheit.“

Nguyen, zweifacher Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2012 in London, steht mit seiner Meinung nicht allein. Auch Robert Bartko wünscht sich die Internationalisierung der deutschen Maßstäbe.

Dr. Lars Mortsiefer: „Ein so umfassendes System wie in Deutschland gibt es nur in wenigen anderen Ländern. Wir haben ein weltumspannendes Regelwerk, die rechtliche Basis liegt vor, die Regeln müssen nur konsequent zur Anwendung gebracht werden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) muss aber weiter gestärkt werden, auch finanziell unabhängiger werden, um weltweit einen gleichen Standard gewährleisten zu können. Leider waren aber die Tests in Rio ein Witz, dort herrschten katastrophale Zustände. Die Testabwicklung in Rio hat uns um 20 Jahre zurück geworfen."

Hajo Seppelt sieht die WADA gegenüber dem IOC als „zahnlosen Tiger“. „Wer Dr. Bach kennt, glaubt nicht daran, dass er die Maxime des Handelns aus der Hand gibt. Das IOC wird auch zukünftig selbst darüber bestimmen wollen, wie über die Teilnahme von Sportlern an Olympischen Spielen entschieden wird.“

Für Thomas Weikert bietet die enge Zusammenarbeit von Internationalen Sportverbänden mit der WADA eine Option. Jeder Verband müsse für sich selbst die Entscheidung treffen, die Steuerung der Doping-Kontrollen an die WADA abzutreten und damit auch die Nominierung für internationale Wettkämpfe außerhalb der Olympischen Spiele der Welt-Anti-Doping-Agentur zu überlassen. Ein WADA-Testat für die Zulassung zur Teilnahme an Weltmeisterschaften, könne er sich persönlich für den Tischtennis-Sport vorstellen, ob der Boxverband das für seinen Bereich genau so sehen würde, sei aber wohl eher anzuzweifeln. Darüber hinaus sei im ITTF, wie in den meisten anderen internationalen Verbänden auch, jedes Land mit einer Stimme vertreten. Wie Abstimmungen ausgehen, sei da nicht unbedingt vorhersehbar.

Abschließend erinnerte Moderator Jens Zimmermann noch einmal an das Thema des Abends und bat das Podium um eine kurze Stellungnahme zur Frage „ Ist der saubere Sport noch zu retten?“

Grundsätzlich sei es positiv, so der NADA-Vertreter Dr. Mortsiefer, dass das Thema Anti-Doping mittlerweile in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sei; es sei jetzt an der Zeit weltweit einen Sinneswandel einzuleiten und die Standards zu verbessern.

Veranstalter und Teilnehmer an der Podiumsdiskussion

Hajo Seppelt sieht einen Fortschritt in der Einführung von Blutpässen bei einigen Verbänden und hofft, dass das Problem reduziert wird, wenn man gemeinsam weiter in die eingeschlagene Richtung geht.

Robert Bartko sieht die Faszination des Sports ungebrochen. Der Sport selbst müsse in die Offensive gehen, Sportler selbst müssen sich in das Thema einbringen.

Auch Thomas Weikert sieht Chancen für eine bessere Zukunft. Die Möglichkeit einer Beauftragung der WADA durch den Weltverband werde er noch einmal durchdenken.

Darmstädter DOGler beim 13. Stuttgarter Sportgespräch

Alles in allem äußerte sich das Podium zaghaft optimistisch zu den Chancen eines sauberen Sports. Völlig neue Denkansätze kamen an diesem Abend nicht auf den Tisch, aber revolutionäre Erkenntnisse hatten die aus Darmstadt angereisten DOGler und wohl auch kaum einer der anderen zahlreichen Besucher erwartet. Deutlich wurde, das es sich um ein vielschichtiges, komplexes Thema handelt, das den Sport noch über einen langen Zeitraum hinweg beschäftigen wird.

Fazit: Wenn Regierungen und Staaten sportliche Erfolge zur Selbstbestätigung brauchen, Sponsoren nur Umsatzzahlen und Funktionäre nur die eigene Machtposition im Auge haben, den Athleten manipulieren und lediglich als Mittel zum Zweck betrachten, ist es um den sauberen Sport schlecht bestellt. Vielleicht spielen die häufig angesprochenen mündigen Athleten selbst zukünftig eine größere Rolle im Kampf gegen das Doping. Bei den Biathleten keimt unbewaffneter Widerstand, zumindest fordert man gemeinsam dem Verband ein klare Stellungnahme ab. Ein erstes Zeichen ist gesetzt ...

Rainer Paepcke

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