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Nordische Ski Weltmeisterschaften 2021 Oberstdorf

Top-Event in Corona-Zeiten

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob sportliche Großereignisse während der Corona-Pandemie durchgeführt werden sollten. Nachdem sich der Fußball als Vorreiter schon frühzeitig über alle Bedenken hinweggesetzt hatte, war aber absehbar, dass auch andere Sportarten einen gangbaren Weg suchen würden, unter Berücksichtigung der Corona-Auflagen eigene Veranstaltungen durchzuführen. Erste Hygiene-Konzepte wurden von Verbänden und Veranstaltern erstellt und den Gesundheitsbehörden zur Genehmigung vorgelegt.  

So durchdacht und plausibel sich diese Konzepte im Einzelfall auch darstellten, verschiedene Besuche am Veranstaltungsort machten schnell deutlich, dass die Umsetzung in der Praxis oftmals zu wünschen übrig ließ.

Wie würde aber ein Top-Event wie die Nordischen Ski Weltmeisterschaften 2021 in Oberstdorf das Risiko zum Corona Hotspot zu werden, ausschalten oder zumindest minimieren? Eine spannende Frage, die nur vor Ort beantwortet werden konnte.

Aber zunächst einmal ein Blick auf das Sportliche!

 

Norwegen gegen Bolshunov 10:2

Rein sportlich gesehen boten die Weltmeisterschaften großartigen Sport mit Top-Leistungen, zahlreichen spannenden und knappen Entscheidungen, jubelnden Siegern und am Boden zerstörten unterlegenen Athleten.

Die Leistungen der deutschen Sportlerinnen und Sportler waren alles in allem zufriedenstellend. Während die Spezialspringer mit großartigen Erfolgen glänzten und 4 Medaillen gewinnen konnten (2 x Gold, 1 x Silber, 1 x Bronze), blieben die Kombinierer mit einer Silber- und einer Bronze-Medaille ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Auch wenn in einigen Fällen gute Leistungen zu verzeichnen waren, gingen die Langläufer im Kampf um die Medaillen erwartungsgemäß leer aus.

 

Abfahrt mit Hindernis
Therese Johaug
Siegerehrung Skispringen

Fast beängstigend war die Überlegenheit der norwegischen Langläuferinnen und Langläufer. Therese Johaug beherrschte die Konkurrenz bei jedem ihrer vier Starts nahezu nach Belieben und sicherte sich viermal WM-Gold. Bei den Männern war es allein der Russe Alexander Bolshunov, der in die Phalanx der norwegischen Langläufer einbrechen konnte und in vier Einzelrennen zweimal auf dem Podium landete; die übrigen 10 Medaillen in den Einzelrennen gingen an Läufer aus Norwegen.

 

Besuch beim Doppelgänger

Im Stadion: Papplikum statt Publikum

Wer beim Zappen am heimischen Fernsehschirm einen kurzen Blick auf die Ränge im Langlauf- und Sprungstadion werfen konnte, mochte den Eindruck eines gut gefüllten Stadions gewinnen. Tatsächlich fanden die Weltmeisterschaften aber ohne Publikum statt. Auf den Rängen bewunderten lediglich Hundertschaften von stummen Zuschauern, das sogenannte Papplikum, den Kampf um Medaillen und Platzierungen. Für rund zwanzig Euro konnte man im Vorfeld der Veranstaltung einen Pappaufsteller mit seinem Foto versehen lassen und so seine Sympathie für die Veranstaltung bekunden.

Während das Papplikum das sportliche Geschehen regungslos verfolgte, waren die Abläufe rund um die sportlichen Wettbewerbe wie bei allen großen Meisterschaften professionell organisiert. Stadionsprecher und Video-Wand fehlten ebenso wenig wie ein munter herumtollendes Maskottchen (ein Eichhörnchen namens Nordi) und die aufgereihten Flaggen der teilnehmenden Nationen. Auch TV-Teams, Fotografen und Pressevertreter waren in gewohnter Stärke vertreten. Nur auf den Rängen herrschte Stille; außer dem schweigsamen Papplikum verloren sich auf den Tribünen lediglich ein paar freiwillige Helfer, die ihre dienstfreie Zeit für einen kurzen Blick auf das sportliche Geschehen nutzten.

Athletinnen und Athleten bewerteten die Situation an den Wettkampfstätten unterschiedlich, vermissten die emotionalen Reaktionen des Publikums oder sahen sich gerade aus diesem Grund weniger unter Druck gesetzt. Die Menschen sind halt verschieden ...

 

High noon in Oberstdorf

Oberstdorf Innenstadt: Sag mir, wo die Menschen sind

Die Liebhaber alter Western werden sich noch erinnern: Gary Cooper als Marshal Will Kane im Western-Klassiker „12 Uhr mittags“, allein auf der staubigen Dorfstraße, ganz auf sich gestellt und erwartungsvoll um sich schauend.

Ein ähnliches Szenario bot sich während der Weltmeisterschaft nicht nur zur Mittagszeit in der Oberstdorfer Innenstadt. An zentralen Punkten der Fußgängerzone konnte man mitunter in alle möglichen Richtungen schauen ohne dabei einen einzigen Menschen zu erblicken. Fast alle Geschäfte während des anhaltenden Lockdowns geschlossen, keine Tagestouristen, keine WM-Besucher. Und wenn dann ganz unerwartet ein Fußgänger auftauchte, war er mit ziemlicher Sicherheit in die blau-rote Jacke der Helferuniform gekleidet.

Wie an den Wettkampfstätten fehlte auch hier das bunte Miteinander von Fangruppen unterschiedlicher Nationen. Norwegische Fans mit Wikingerhelm oder Elchgeweih und mit unmäßigem Verlangen nach Bier und Wein, Österreicher und Deutsche mit Fahnen und allerlei Lärm erzeugendem Beiwerk, vielleicht auch Kuhglocken aus der Schweiz, Abordnungen von Fan-Clubs einzelner Sportler und auch ganz „normale“ Besucher, die sich an dem bunten Treiben erfreuen.

Die einheimische Wirtschaft, vor allem Beherbergungsbetriebe und Gastronomie, mussten auf Einnahmen in immenser Höhe verzichten. Mit etwa 300.000 Besuchern war an den insgesamt zehn Wettkampftagen kalkuliert worden, in einem Zeitraum also, in der der Wintertourismus fast beendet und der Frühjahrs- und Sommertourismus noch nicht begonnen hatte.

 

Testen, scannen, schützen: Gib Corona keine Chance

Ohne Test und ein negatives Testergebnis kein Zutritt zum Veranstaltungsgelände. Die Tests teilten sich auf in PCR-Tests, bei denen ein Rachenabstrich vorgenommen wurde, und Antigen-Tests, bei denen die erforderliche Probe durch die Nasenöffnung entnommen wurde. Wer während aller Wettkampftage Einlass in die Stadien erhalten wollte, musste sich insgesamt sieben Tests unterziehen (3 x PCR, 4 x Antigen). Um Wartezeiten zu vermeiden, mussten alle Testtermine vorab online festgelegt und verwaltet werden. Die Durchführung der Tests an den großzügig eingerichteten Stationen erfolgte zügig und professionell.

Im Falle eines positiven Testergebnisses war eine Sperre der Akkreditierung vorgesehen. Um die Akkreditierung für jeden einzelnen Wettkampftag zu aktivieren, war im Rahmen einer elektronischen Selbstauskunft täglich zu erklären, dass man ohne Symptome sei und nicht in Kontakt zu infizierten Personen gestanden habe.

 


Nach dem Zieleinlauf:
Völlige Erschöpfung!

Um im Bedarfsfall Kontakte nachvollziehen zu können, wurde der auf der Akkreditierung enthaltene QR-Code mehrmals täglich gescannt. Auf diese Weise war problemlos nachweisbar, wer zusammen im gleichen Fahrzeug befördert wurde oder an den Verpflegungsstationen gemeinsam am gleichen Tisch saß.

Während des Aufenthalts an den Wettkampfstätten war durchgängig eine FFP2-Maske zu tragen, Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen waren zu beachten. War hier und da mal eine Maske verrutscht oder der vorgegebene Mindestabstand nicht eingehalten, wurde man vom Ordnungsdienst mal freundlich, mal barsch auf sein Fehlverhalten hingewiesen.

Randnotiz: Wie sehr das Tragen einer mit Ordner oder Security beschrifteten gelben Weste das Verhalten des Westenträgers beeinflusst, sollte Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung im Fachbereich Psychologie werden. Möglicherweise liegen aber bereits entsprechende Arbeiten vor.

 

Mission accomplished: Konzept erfolgreich umgesetzt

Hatten Skeptiker vor Veranstaltungsbeginn noch befürchtet, dass Oberstdorf und das gesamte Oberallgäu zum Corona Hotspot werden könnten, war nach Abschluss der WM festzustellen, dass das umfassende Schutzkonzept erfolgreich umgesetzt werden konnte. Die 7-Tage-Inzidenz im Oberallgäu lag vor und während der Veranstaltung stabil bei einem Wert um die 50; am Tag nach der Veranstaltung war die 7-Tage-Inzidenz sogar noch um einige Punkte gesunken.

 

Geschafft! Maskottchen Nordi

Das Konzept von Veranstalter und Gesundheitsbehörden wurde absolut professionell umgesetzt, die anderenorts zu beobachtenden Abweichungen von den Vorgaben waren während der WM gar nicht oder nur marginal zu beobachten.

Insgesamt wurden während der Veranstaltung mehr als 20.000 Corona Tests durchgeführt, lediglich neun dieser Tests waren positiv.

Der finanzielle Aufwand für die Durchführung der umfassenden Testaktivitäten war gigantisch. Wer seine Tests selbst finanzieren musste, war beim PCR-Test mit 90,00 Euro und beim Antigen-Test mit 45,00 Euro dabei. Auch wenn man unterstellen darf, dass das Konto des Veranstalters mit erheblich geringeren Beträgen pro Test belastet wurde, ist leicht erkennbar, wie sehr die Umsetzung des Konzepts die Gesamtbilanz der Veranstaltung negativ beeinflusst.

 

WM 2027 – Neuauflage in Oberstdorf?

Die Ausrichter der nächsten Nordischen Ski Weltmeisterschaften stehen mit Planica (2023) und Trondheim (2025) bereits fest. Für 2027 hoffen die Ausrichter in Oberstdorf auf einen erneuten Zuschlag. Dann aber ohne Corona und mit begeisterten Fans anstelle des stummen Papplikums.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Sichtweise von der Mehrheit der Oberstdorfer Bevölkerung unterstützt wird.

Rainer Paepcke       

 

Neuauflage 2027?
Schön wär's!