Bundesweite Termine

05.01.2021
Grußwort

Steter Mahner für die Olympischen Kernwerte

05.01.2021
DOG

70 Jahre Deutsche Olympische Gesellschaft

17.11.2020
Neckaralb

Ehrung des Turngaus Zollern-Schalksburg

06.11.2020
Berlin

Mitgliederversammlung: DOG-Präsidium mit bekannten und neuen Namen

05.11.2020
Nachruf

Ehrenmitglied Hubert Hey verstorben

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Hennige, Gerhard

 

Persönliche Daten

Geboren am: 23.09.1940
Geboren in: Karlsruhe
Familienstand: Verheiratet mit Ehefrau Gaby, geborene Kull
Kinder / Enkel: Tochter Christine, 2 Enkel
Wohnort: Mühltal

>>> Gerhard Hennige: Beruflicher Werdegang

>>> Gerhard Hennige: Erfolge, Bestzeiten, Auszeichnungen

>>> Gerhard Hennige: Statements zu Darmstadt

 

 

Olympische Spiele, Mexico City 1968

 

Herr Hennige, fast 50 Jahre liegen die Olympischen Spiele von Mexico City zurück. Sind die Spiele heute noch ein Thema für Sie?
Natürlich bewegt mich das Thema Olympia immer noch! Mich erreichen auch heute noch bis zu zehn Autogrammanfragen im Monat, da bleibt es nicht aus, dass man immer wieder an die Spiele erinnert wird. Meine rückwärts gerichtete Betrachtung fällt natürlich positiv aus, aber nach so vielen Jahren idealisiert man das Thema wohl auch ein wenig.

Vor Ort war nicht alles ideal?
Nein, vor Ort war ich stark angesäuert. Als Vor- und Zwischenlaufschnellster sollte ich im Finale normalerweise zwischen den Bahnen 4, 5 und 6 wählen dürfen. Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes war zu jener Zeit aber ein Engländer, der die Bahneinteilung im Finale beeinflusst und seinen Landsleuten trotz schlechterer Vorleistungen die besten Bahnen zugeteilt hat. Die Deutschen wurden bewusst nach innen „verbannt“. Ich musste auf Bahn zwei laufen und Rainer Schubert neben mir auf der noch ungünstigeren Innenbahn. Die Bahn in Mexico City war eine Korbbogenbahn, eine solche Bahn hat quasi vier Kurven. Die erste Hürde in meiner Bahn stand genau im Knick. Man musste sehr stark aufpassen, dass man nach dem Überqueren der Hürde nicht auf der Begrenzung zur Nachbarbahn landete, denn das hätte eine Disqualifikation bedeuten können. Da war die Angst, mit der Hüfte an der innen stehenden Hürde hängen zu bleiben, oder sie zumindest zu berühren.

 

Olympia-Akkreditierung 1
Olympia-Akkreditierung 2

 

Auf Grund meiner Hebelverhältnisse waren die Standard-Startblöcke für mich ungeeignet. Ich hatte eine Sondergenehmigung und durfte bei den Rennen in Mexico City einen Europäischen Startblock verwenden. Die Hürden für den Final-Lauf wurden wie immer mit einem Traktorgespann ins Stadion gefahren. Als das Gespann das Stadion nach dem Abladen verließ, rollten sowohl Traktor als auch Hänger über meinen Startblock. Der Aluminium-Block zerbrach und war für mich damit unbrauchbar. Ein, zwei Minuten vor dem Start hatte ich plötzlich keinen Startblock mehr. Ein Helfer brachte mir auf die Schnelle einen nicht verstellbaren(!) Standard-Startblock, und ich hockte wenig später an der Startlinie wie das Häschen in der Grube, mit meinen Füßen viel zu nah an der Startlinie und insgesamt in einer unmöglichen Körperhaltung.

Später hat man meinen Lauf analysiert: Im Vergleich zu Vor- und Zwischenlauf war ich im Finale an der ersten Hürde sechs Zehntel und an der dritten Hürde sogar 1,1 Sekunden langsamer. An der siebten Hürde lief ich gar an letzter Position. Während des Laufs muss ich meinen Frust herausgeschrien haben. Irgendwie hat das einen Adrenalinschub gegeben, so dass es am Ende noch zum zweiten Platz gereicht hat.
Hinterher fragte man mich, ob ich über den zweiten Platz glücklich sei. Wie konnte ich unmittelbar nach dem Lauf bei dieser Vorgeschichte glücklich sein?
Einziger schwacher Trost war eine aus dem Publikum zugeworfene Dose Bier …
Heute sehe ich das Thema entspannter.
Es ist halt wie es ist.

 

Mexikanische Presse: Foto vom Zwischenlauf
Siegerehrung: Dave Hemery und Gerhard Hennige

Bei den Olympischen Spielen sind Sie im Halbfinale Weltrekord gelaufen.
Eigentlich ja, aber ...
Im Halbfinale waren die 49,1 Sekunden eine neue Weltrekordzeit. Laut Reglement muss eine Weltrekordzeit 24 Stunden bestehen, um in die Rekordlisten einzugehen. In meinem Fall waren es nur 18 Stunden, denn im Endlauf wurde die Zeit durch den Engländer Hemery auf 48,1 Sekunden verbessert. Auf Grund dieser Regelung wurde ich zum "Beinahe-Weltrekordler". 

Sie haben bei diesen Spielen dann noch die Bronzemedaille mit der 4 x 400-Meter-Staffel gewonnen. Ist eine Staffelmedaille etwas anderes als eine Einzelmedaille?
Ich bin unheimlich gern Staffel gelaufen. Die Medaille mit der Staffel war für mich ein Highlight. Die Staffel ist Wettkampf pur, im Einzelrennen läuft man auf seiner Bahn und gegen die Uhr.

 

Mexikanische Presse: Im Staffel-Finale übergibt Gerhard Hennige an Manfred Kinder

In Mexico City gingen erstmals zwei deutsche Mannschaften bei Sommerspielen an den Start. Wie haben Sie das erlebt?
Vor den Spielen hat mich das Thema nicht tangiert. Innerhalb der Mannschaft herrschte die Meinung vor, „es denen zeigen“ zu müssen.

Gab es währen der Olympischen Spiele Kontakte zu Sportlern aus dem „anderen“ Deutschland?
Schon, aber sehr häufig war das nicht. Die DDR Sportler hatten ihre klaren Vorgaben und bei uns hieß es, man solle nicht aktiv auf die DDR-Sportler zugehen, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Untersagt waren die Kontakte auf unserer Seite aber keineswegs. Für mich war vieles in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar. Ich war aber auch kein politischer Mensch.
Auf dem Trainingsplatz habe ich einmal gesehen, wie sich unser Stabhochspringer Claus Schiprowski beim Aufwärmen mit dem DDR-Kollegen Nortwig unterhielt. Ein DDR-Funktionär kam hinzu und wollte, dass Nortwig den Kontakt mit dem Klassenfeind abbricht. Nortwig erwiderte: „Du hast mir gar nichts zu sagen. Wenn du drauf bestehst, dann springe ich nicht.“
In dieser Situaton kam mir schon der Gedanke:„Was ist diese DDR denn für ein Land?“
Zusammen mit einigen anderen Sportlern habe ich das Olympische Dorf ab und zu durch einen nicht offiziellen Hintereingang verlassen: Durch ein kleines Trinkgeld an die Türsteher öffneten sich dort viele Türen. Ein Stück entfernt lag eine Kneipe mit einigen Tischen in einem Innenhof. Für ganz wenig Geld gab es schmackhaftes Essen und zu Trinken. In diesem Lokal haben wir uns ein paarmal mit Ruderern aus der DDR-Mannschaft getroffen. Einigen haben wir unter andere
m Sportklamotten besorgt.

 

Fast immer dabei: Die Sonnenbrille

Auf vielen Fotos aus Ihrer aktiven Zeit tragen Sie eine dunkle Sonnenbrille; ein Talisman?
Talisman gab es bei mir nicht. Was ist, wenn der Talisman verloren geht???
Nach den Olympischen Spielen von Mexico City konnte ich an einer großen Reise durch das Land teilnehmen. Während der Reise ist mir die Brille abhanden gekommen. Zwei Monate später bekam ich ein Päckchen mit der zerbrochenen Brille. Der Übersender hat sich entschuldigt, dass er die Brille an sich genommen hatte. Vielleicht habe ich sie im Bus vergessen und er hat sie gefunden. Ich weiß es nicht. In Köln hatte mir ein Augenarzt die Brille empfohlen, weil ich im grellen Sonnenlicht immer Probleme bekommen habe. Sie hatte grüne Gläser, mit denen ich auch nachts Autofahren konnte. Ich schwöre immer noch auf das Grün, trage auch heute noch grüngefärbte Brillengläser. Ein Talisman war die Brille wirklich niemals, aber sie hatte schon Vorteile. Beispiel: Im Endlauf war es regnerisch und trüb, also war die Brille im Grunde überflüssig. Die Sonnenbrille erlaubte mir aber, mich hinter den dunklen Gläsern zu verstecken und meine Gegner zu beobachten.

Mexico City liegt auf einer Höhe von etwa 2200 Metern. War die Höhe für Sie ein Problem?
Nein, wir hatten ja etwa vier Wochen zur Vorbereitung in Flagstaff / Arizona verbracht, um uns an die Höhe zu gewöhnen. Außerdem ist die Höhe für mich ohnehin ideal. Ich habe einen sehr niedrigen Blutdruck, der sich bei etwa 2000 Metern den normalen Werten nähert. Ich bin normalerweise häufig müde, in der Höhe von Mexico City war das dann optimal.

Vielen Sportlerinnen und Sportlern erging es weitaus schlechter!
Ja, ich habe gesehen, wie im Stadion Mittel- und Langstreckler umgefallen sind wie die Fliegen. Aus meiner Sicht stimmte bei diesen Athleten etwas mit der Vorbereitung nicht.
Wichtig ist die Sauerstoffaufnahme. Wer sich in der Vorbereitungsphase kein Höhentrainingslager erlauben kann, sollte so etwas simulieren. Ich habe mir schon damals eine Maske gebaut, so wie sie die Wintersportler nutzen, wenn es sehr kalt ist. Mit dieser Maske wird die kalte Luft vorgewärmt. Man atmet aber auch viel Restluft mit ein, also verbrauchte Luft, da ist der Sauerstoffgehalt geringer. Auf diese Weise kann man Höhentraining simulieren. Mit einer Plastiktüte kann man ähnliche Effekte erzielen. Aber aufpassen, dass noch genügend Luft zur Verfügung steht! Wenn man auf diese Weise unter Sauerstoffschuld trainiert, geht der Puls natürlich sehr schnell in die Höhe. Das Herz arbeitet schneller, um die roten Blutkörperchen durch den Körper transportieren zu können. Heute arbeitet man professionell mit Druckkammern, in denen der Sauerstoff reduziert ist.
Natürlich war auffällig, dass sich Sportler nach dem Wettkampf mit hellwachen Augen auf dem Boden krümmten und den Sterbenden spielten. Der Eine oder Andere hat mit solchen Aktionen sicher von seinen unzureichenden Leistungen abzulenken versucht.

 

 

NOK-Olympiapass 1968 (Vorderseite)
NOK-Olympiapass 1968 (Innen)
Olympische Silbermedaille, Mexico City 1968

Wie haben Sie Ihre Medaillen gefeiert?
Feiern im eigentlichen Sinn gab es dort nicht, ein Gläschen Sekt am Abend musste reichen, dazu gab es das eine oder andere Schulterklopfen. Und die eingetroffenen Telegramme wurden gelesen, unter anderem gab es eines vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt.

 

Empfang in Aulendorf

Und bei der Rückkehr in Deutschland?
Vor allem in Aulendorf gab es etwas Größeres. Ich musste bereits in Bad Schussenried aus dem Zug steigen und wurde dort in ein Mercedes Cabrio gesetzt. Es war schon kühl zu der Jahreszeit und wir waren dick eingemummt, als wir in Aulendorf einfuhren. Aulendorf hatte etwa 2500 Einwohner, und die waren wahrscheinlich alle gekommen.
An der Straße stand auch einer meiner früheren Berufsschullehrer, Herr Bauer. Der hatte mich häufig mit dem Lineal malträtiert und mir immer wieder gesagt: „Aus dir wird nie was!“. Ich bin dann auf ihn zu und der ehemalige Lehrer war sehr gerührt und stammelte mehrfach: „Wenn ich das gewusst hätt ...“.
Das war auch für mich sehr bewegend.

Hatten die Olympia-Medaillen weitere Auswirkungen?
In Mexico City habe ich den damaligen Chef des Damstädter Instituts für Leibesübungen, Helmut Meier, kennengelernt, der  mich angesprochen und nach meinen Zukunftsplänen gefragt hat. Das war aber bereits vor dem Endlauf und also auch vor dem ersten Medaillen-Gewinn. Durch Helmut Meier bin ich dann 1969 im Februar bei der Technischen Hochschule in Darmstadt eingestiegen. Dort bin ich bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2004 geblieben.
Unmittelbar nach den Olympiaerfolgen war die öffentliche Aufmerksamkeit groß. Ich war sehr gefragt und durfte den einen oder anderen Vorteil genießen. Viele Menschen suchten meine Bekanntschaft, darunter auch der Unternehmer und Playboy Bernie Cornfeld, dessen Bemühungen aber erfolglos blieben. Hier und da hat man mir bereits in Mexico City Avancen gemacht, die kamen in einem Fall sogar von männlicher Seite. Aber ich habe mich auf nichts eingelassen, ich war ja zu diesem Zeitpunkt schon glücklich verheiratet und Vater einer Tochter.

 

Gerhard Hennige und sein Entdecker Walter Angerer

Von der SG Aulendorf zum ASC Darmstadt 

Herr Hennige, während Ihrer aktiven Zeit gehörten Sie verschiedenen Vereinen an. Welchen Einfluss hatten die einzelnen Stationen auf Ihren sportlichen Werdegang?

SG Aulendorf (bis 1960)

Mein eigentlicher Entdecker war ein Trainer bei der SG Aulendorf, Walter Angerer. Ich hatte in meiner Jugend mit dem Boxen angefangen, und Walter Angerer war es, der mich dazu motivierte mal bei den Leichtathleten vorbeizuschauen. Ich habe dort einige Runden auf dem Sportplatz gedreht und mich auf Anraten von Walter Angerer dann mehr oder weniger regelmäßig zum Leichtathletik-Training eingefunden. Mein erster Wettkampf in der Leichtathletik war ein Hochsprung-Wettbewerb, auf den ich heute noch stolz bin. Damals hat man zwei Holzständer an die Weitsprunggrube gestellt und eine Holzlatte drauf gelegt. Ich bin frontal auf diese Latte zugelaufen und im Hocksprung, die Füße voraus, über die Latte gegangen. Auf diese Weise habe ich 1,78 Meter übersprungen und bin mit dieser Höhe Stadtmeister geworden.

 

Zwischenstationen auf dem Weg ...
... zu großen Erfolgen.

FTB Flensburg (1960 - 1963)

Während meiner Bundeswehrzeit bin ich beim FTB Flensburg eingestiegen. An die Zeit in Flensburg erinnere ich mich gern. Für einige Jahre habe ich damals mit 47,4 Sekunden den schleswig-holsteinischen Rekord über 400 Meter innegehabt.


Karlsruher SC (1964 - 1965)

Nach dem Umzug nach Karlsruhe habe ich mich dem Karlsruher Sport Club angeschlossen. Ein Dreivierteljahr lang wohnte ich direkt im Stadionbereich in einer Baracke. Diese Unterkünfte waren ursprünglich für KSC-Fußballer vorgesehen, in der Zwischenzeit aber stillgelegt worden. Der Vorstand vom KSC erlaubte mir dort zu wohnen, hat die Zusage aber an die Bedingung geknüpft, dass ich die Räumlichkeiten vorher renoviere. Da hab ich dann drei, vier Wochen meist an den Abenden dran gearbeitet.
Ich war stolz darauf bei diesem Verein mit meinem großen Vorbild Carl Kaufmann, dem zweifachen Silbermedaillien-Gewinner bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom, trainieren zu dürfen. Das Training mit Carl Kaufmann war für mich die Initialzündung dafür, tatsächlich in den Leistungssport einzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits 23 Jahre alt und habe dann begonnen, sehr individuell zu trainieren und auch ein gezieltes Krafttraining in mein Programm aufzunehmen.


ASV Köln (1965 - Ende 1966)

Nach meiner Zeit in Karlsruhe wurde das Krafttraining gestrichen und nur noch bei Bedarf mit Medizinball und Kurzhantel trainiert. Ich war ohnehin ein muskulöser Typ, und jeder weitere Muskelzuwachs hätte zusätzlich mit über die Hürden geschleppt werden müssen. Muskeln wiegen ja schließlich deutlich mehr als Fett. Das Kraft-Last-Verhältnis stimmt dann irgendwann nicht mehr. Statt auf Kraft wurde dann mehr Konzentration auf Ausdauer und vor allem auf Koordination und Beweglichkeit gelegt.
Beim ASV Köln kam aus meiner Sicht das Thema Fairness zu kurz. Damals gab es für die leistungsstarken Sportler schon einen monatlichen Zuschuss. Bei mir waren das damals 75 DM. Bald darauf musste ich erfahren, dass ein 800 Meter-Läufer im Verein 150 DM bekam. Während einer Trainingseinheit bin ich dann einmal versuchsweise 800 Meter gelaufen und war dabei 1,5 Sekunden schneller als dieser besser entlohnte Athlet. Ich habe dann nachgefregt, warum der 800 Meter-Läufer einen doppelt so hohen Zuschuss bekommt und wurde mit der unbefriedigenden Antwort abgespeist, dieser Athlet habe halt die besseren Beziehungen zum Vereinsvorstand.

1966 trat ein Ermüdungsbruch im linken Schienbein auf. Da hieß es von ärztlicher Seite: „Es ist vorbei mit Leichtathletik, das können Sie canceln.“
Im Röntgenbild war zudem ein Schatten zu sehen, und man vermutete mit großer Wahrscheinlichkeit Knochenkrebs. Ich konnte mir damals gar nichts darunter vorstellen, aber nach Ansicht der Ärzte deutete alles auf ein Karriereende hin.
Bertl Sumser, mein späterer Trainer aus Leverkusen, hatte das mitbekommen, und sagte zu mir: „Bayer Leverkusen hat alle medizinischen Mittel, auch gegen Krebs, komm doch zu uns.“ Der Mannschaftsarzt in Leverkusen machte mir glücklicherweise Hoffnung: „Ja, das ist ziemlich schlimm, aber das kriegen wir schon hin.“
Nach dem ersten Arzttermin in Leverkusen habe ich dann den Verein gewechselt. Meine Gesundheit war mir wichtiger als die Treue zu einem Verein, der mich ungerecht behandelt hatte.

 

Im Trikot von Bayer Leverkusen

Bayer 04 Leverkusen (1966 - 1969)

Bei Bayer hat man mich wieder fit bekommen. In der ersten Zeit gab es Medikamente und Spritzen. Keine Ahnung was mir da verabreicht wurde. Aber es gab auch umfangreiche konservative Behandlungen, im Grunde das ganze sinnvolle Spektrum physiotherapeutischer Maßnahmen. Ein Vierteljahr später ging es dann tatsächlich wieder aufwärts. Was die medizinische Abteilung in Leverkusen geleistet hat, war für mich schon sehr beeindruckend.

Während dieser Zeit in Leverkusen habe ich verschiedene Maßnahmen kennengelernt, die ich danach weiter genutzt habe. Vor allem Aqua-Training hat den allmählichen, sanften Aufbau meiner körperlichen Leistungsfähigkeit sinnvoll unterstützt. Die Durchblutung wird verbessert und Sehnen, Muskeln und Knochen werden weniger belastet. Nach schweren Verletzungen oder bei Schädigung des Rückens hilft die Bewegung im Wasser immer sehr. Auch für ein Erhaltungstraining ist die Bewegung im Wasser wirklich gut, aber diese Möglichkeit nutzen die Wenigsten. Diese Art des Erhaltungstrainings ist ja auch sehr aufwändig.


ASC Darmstadt (ab 1969)

Meine letzte Station als Aktiver war der ASC Darmstadt. Mit der Staffel des ASC habe ich 1969 auch den letzten Deutschen Meistertitel über 4 x 400 Meter gewonnen.

Bereits während meiner aktiven Zeit war ich beim ASC als Trainer tätig. Auch danach habe ich diese Tätigkeit fortgeführt. Bis in die 90er Jahre habe ich rund zwei Jahrzehnte lang verschiedene Aktive betreut, unter anderem Lothar Krieg bis zu seinem Deutschen Meistertitel. Lothar gewann bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal mit der deutschen 4 x 400-Meter-Staffel die Bronzemedaille.

 

Doping

Zur Wiederherstellung Ihrer Gesundheit wurden Sie in Leverkusen mit Spritzen und Medikamenten behandelt. Hat man Sie in diesem Zusammenhang der Einnahme unerlaubter Mittel bezichtigt?
Die Liste der verbotenen Substanzen enthielt damals lediglich sechs Titel und war daher relativ überschaubar. Ich habe immer sehr darauf geachtet, nichts Unerlaubtes zu mir zu nehmen, habe auch im Clinch gelegen mit Klümper und all diesen Typen, denen viele namhafte Sportler die Türen eingerannt haben. Doping war für mich immer ein rotes Tuch.

>>> weiterlesen: Gedopte Athleten sind leicht zu erkennen

 

Im Sulky, Pferd Klimax, Gelsenkirchen

Hobbies

Blieb Ihnen neben Sport, Familie, Studium und Beruf genügend Zeit für ein Hobby?
Ja, ich habe mich neben diesen Themen immer wieder in den verschiedensten Bereichen versucht, in den 1960er Jahren war ich vorübergehend mal beim Trabrennen aktiv. Außerdem bin ich ein relativ geschickter Handwerker. Einen Teil unserer Möbel habe ich selbst gebaut, habe auch ältere Möbel aufgearbeitet. Im Keller unseres Hauses befindet sich eine gut ausgestattete Werkstatt.

Wie verbringen Sie heute Ihre Freizeit?
In den vergangenen Jahren habe ich einen großen Teil meiner Freizeit auf dem Golfplatz und mit Schlaraffia verbracht.

Der Golfsport ist mit natürlich bekannt. Was aber ist Schlaraffia?
Schlaraffia ist eine Vereinigung, die sich Kunst, Freundschaft und Humor auf die Fahnen geschrieben hat. Das Ganze entstammt der Romantik und gleicht  einem persiflierten  Ritterspiel. Als Mitglied bei Schlaraffia bin ich ein Schlaraffe.

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Vielen Dank

Herr Hennige, ich hoffe meine zahlreichen Fragen haben Sie nicht gelangweilt.
Für mich war das Gespräch überhaupt nicht langweilig. Es ist schön, wenn man sich mal wieder mit den verschiedensten Themen auseinandersetzen kann. Vermutlich bin ich in unserem Gespräch auch hin und wieder abgeschweift.

Meinen Fragenkatalog konnte ich in der Tat nicht komplett abarbeiten. Aber für jeden Thembereich, den ich nicht ansprechen konnte, haben Sie mir zwei alternative Themen geboten. Und damit den Beitrag bereichert. Vielen Dank für das Gespräch.
Ich denke, den Rest des Tages werde ich beim Thema bleiben und mit meiner Frau über die guten, alten Zeiten reden ...

Das Gespräch mit Gerhard Hennige wurde am 25. Januar 2017 geführt; Gesprächspartner: Rainer Paepcke
Dokumente und Fotos stammen aus dem Archiv der Familie Hennige.
Die Verwendung der Texte und der diesen Beitrag illustrierenden Dokumente ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Familie Hennige zulässig.